Die Osterferien, meine allerletzten Schulferien sind vorbei. 13 Jahre Schule, 9 Jahre - fast die Hälfte meines Lebens ging ich ins Ganerben-Gymnasium. Ich warte auf das große Bedauern, aber es kommt nicht. Warum auch ?
Abgesehen von den sozialen Kontakten ist Schule eine Einrichtung, in der Zahlenwarte ermittelt werden, die zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Intelligenz des Schülers dienen. Jeder Schüler weiß, dass diese Zahlenwerte ausschlaggebend dafür sind, ob er die nächsthöhere Klasse erreicht und schließlich ein Abschlusszeugnis in Händen halten kann, nach dessen Zahlenwerten dann in den meisten Fällen entschieden wird, ob er zu einem Studium zugelassen wird oder ob er in die engere Wahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz kommt. Also, vorrangiges Ziel: Gute Noten.
Gute Noten gibt es durch gute Klassenarbeiten, gute Klassenarbeiten, wenn der Schüler seinen Stoff gut kann. Eltern und Lehrer raten: Jeden Tag den Stoff vom Vormittag wiederholen. Das geht aber meistens nicht, denn der Schüler hat ja auch manchmal nachmittags Schule (und andere Dinge vor) und der Stoff häuft sich. Also: Den Stoff vor der Klassenarbeit in kurzer Zeit einpauken. Aber nicht nur der Zeit und Klassenarbeitsdruck führt dazu, dass er nicht eigentlich lernt, vor allem auch die Form der Klassenarbeiten verleiten dazu.
Es gibt Lehrer, die in einer Klassenarbeit ganz genau das hören wollen, was sie diktiert bzw. aufgeschrieben haben. Sie haben vollkommen recht. ist es nicht sehr wichtig, dass der Schüler zwischen "Urwäldern" und "großen Urwaldgebieten“ unterscheiden kann? Am besten lernt er es, wenn er für das eine einen Punkt bekommt und für das andere nicht. Und er lernt den Stoff in Zukunft auswendig und vergisst ihn. Überhaupt: Viel Stoff auf einmal (damit der Schüler auch was lernt) erzieht zum Auswendiglernen, denn damit ist sich der Schüler wenigstens sicher, dass er alles "weiß". Er kann sich eh nicht mit allem auseinandersetzen. Dazu gibt es noch eine schöne Variante: Viel Stoff für eine Klassenarbeit und die Klassenarbeit geht denn aber nur über einen kleinen Abschnitt davon oder sie besteht fast nur aus Quellenarbeit. Es ist doch nur von Vorteil für den Schüler, wenn er alles lernt. Was er dabei lernt ist, dass in solch einem Fall Spickzettel eigentlich sinnvoller sind, insbesondere wenn er die zwanzig Unterschiede zwischen dem Australopithecus und irgendeinem anderen Steinzeitmensch wissen muss. Haken wir die Klassenarbeiten also als Mittel zur Feststellung des spezifischen Zahlenwertes ab.
Bleibt der Unterricht, da kann der Schüler doch die Dinge fürs Leben lernen. Schon. Es kann ihm aber auch die Lust dran vergehen, wenn er die Selbstdarstellung oder die Machtausübung des Lehrers ertragen muss, wenn der Lehrer irgendwann anfängt, vor sich hin zu reden und irgendwann wieder aufhört, wenn sich der Unterricht so gestaltet, dass der Lehrer genauso viel weiß wie der Schüler (sprich: sich nicht darauf vorbereitet), wenn der Lehrer mit penibler Unterrichtsweise langweilt oder schikaniert, wenn er seine Laune an den Schülern auslässt.
Natürlich: Viele Schüler tragen mit ihrer Null-Bock-Einstellung auch nicht zu einem guten Unterricht bei und mit Provokationen können sie dem Lehrer auch ganz schön auf den Nerv gehen. Lehrer könnten aber auch oft noch ein paar Semester Pädagogik brauchen. Außerdem muss der Lehrer den Schüler motivieren können und ihm etwas beibringen.
Insgesamt wird ein hoher Anspruch an Lehrer gestellt, aber er ist gerechtfertigt. Schule prägt (vor allem fast ein Jahrzehnt auf einer Schule) und stellt die Weichen für das ganze Leben. Viele Lehrer sind sich anscheinend nicht bewusst, was dieser Beruf alles bedeutet und erfordert.
Alles darf man natürlich auch nicht auf die Lehrer schieben. Die Lehrpläne und die oberste Führung tragen auch ihren Teil dazu bei. Und es gibt natürlich auch Ausnahmen unter den Lehrern wie unter den Schülern. In manchen, aber zu wenigen, Fächern lernt ein Schüler schon – weil er es wissen will. Aber es trifft auch für die Institution Schule im Allgemeinen zu, was ein Lehrer dieser Schule sagte (man lese und ... überlege): „Wir leben nicht in einer Leistungsgesellschaft, sondern in einer Erfolgsgesellschaft. In erster Linie zählt der Erfolg. Wie er zustande kommt, ist meistens unwichtig.“